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In Deutschland gibt es 16,1 Millionen Einfamilienhäuser.

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In fast 60% der bestehenden Einfamilienhäuser wohnen nur ein oder zwei Personen.

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65% der Deutschen träumen vom Leben in einem Einfamilienhaus.

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25% aller Eigentümer:innen haben ihre Immobilie im Alter über 69 noch nicht abbezahlt.

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Ein Einfamilienhaus kostete im Jahr 2022 doppelt so viel wie im Jahr 2009.

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Seit den 1990er Jahren wurde der Wohnungssektor zunehmend Privatangelegenheit - durch Eigenheimzulage, Pendlerpauschale und Bausparer.

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In einem Einfamilienhaus zu leben, erhöht die Autoabhängigkeit.

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Im suburbanen Raum gibt es durchschnittlich 1,6 Pkw pro Haushalt.

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Ein Pkw parkt durchschnittlich 20 Std. am Tag am Wohnort und nimmt 13,5 qm Fläche in Anspruch

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Jeden Tag werden in Deutschland 22 Hektar für den Bau von Einfamilienhäusern beansprucht.

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83% aller Wohngebäude sind Ein- und Zweifamilienhäuser - sie sind ein bedeutender Hebel für den Klimawandel.

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Die Sanierung eines Einfamilienhauses verbraucht nur 1/3 der Emissionen eines Neubaus.

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Einfamilienhäuser werden immer größer gebaut - zwischen 2007 und 2017 um fast 20%.

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In Baden-Württemberg sind fast 40% aller Neubauten Fertighäuser.

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84% aller Gemeinden in Deutschland weisen neue Einfamilienhausgebiete aus.

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Bis in die Neunziger Jahre galten Einfamilienhausgebiete lange Zeit als Selbstläufer, für die keine intervenierende Planung notwendig schien.

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Für den Umgang mit bestehenden Einfamilienhausgebieten gibt es in den Kommunen wenig Erfahrung und kaum Ressourcen.

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Zitieren
Berndgen-Kaiser, A., Bläser, K., Danielzyk, R., Fox-Kämper, R., Hopfner, K., Siedentop, S., Simon-Philipp, C., Zakrzewski, P. (12.Oktober 2023). Vom Selbstläufer zum Sorgenkind – Kommunale Perspektiven. Leben vor der Stadt. Zugegriffen am 22. November 2024, von https://leben-vor-der-stadt.de/alle-artikel/om-selbstlaufer-zum-sorgenkind-kommunale-perspektiven.
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Vom Selbstläufer zum Sorgenkind – Kommunale Perspektiven

Einfamilienhäuser wurden lange Zeit vernachlässigt und als selbstregulierend betrachtet. Es gibt kaum kommunale Erfahrungen im Bestandsmanagement und vielerorts fehlt es an Problembewusstsein.

Hinweis: Im Folgenden wird die Situation von Einfamilienhausbeständen sowie Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten aus Sicht der kommunalen Akteure diskutiert. Die Ausführungen dokumentieren die Auswertung der Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Planungsbehörden bzw. den Bürgermeistern im Rahmen eines Workshops der mit Vertretern von Fallstudienkommunen im Mai 2011 stattfand. Die Zitate sind anonymisiert. Der Buchstabe „S“ steht dabei für städtisch-zentral, „L“ für ländlich-peripher gelegene Kommunen. Interessante-r (oder bedauerlicherweise) hat sich an der Perspektive, also wie Kommunen auf Einfamilienhausgebiete einwirken, in den letzten zehn Jahren wenig geändert.

aus: Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren. Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung.

Ein unbekanntes Terrain

Einfamilienhäuser sind weitgehend „blinde Flecken“ der Stadt- und Ortsplanung. Nach der Erstplanung im Zuge ihrer Entstehung galten die Gebiete lange Zeit als „Selbstläufer“, für die keinerlei Form von intervenierender Planung erforderlich schien. Dementsprechend existieren für ein Bestandsmanagement keine kommunalen Erfahrungen. Selbst quartiersscharfe Analysen der demographischen Prozesse in diesen Gebieten schienen bis lang nicht erforderlich und existieren in den Gemeinden überwiegend nicht. Neben einem fehlenden Problembewusstsein erschweren auch Einschränkungen bei der Verfügbarkeit kleinräumiger Strukturdaten die Erarbeitung derartiger Grundlagen.

Die Qualifizierung und Anpassung von Einfamilienhausbeständen, ist ein neues kommunales Betätigungsfeld, zu dem bislang noch wenig Erfahrungen vorliegen. Die konkrete Umsetzung entsprechender Qualifizierungsstrategien wird – unabhängig von der grundsätzlichen Bereitschaft kommunaler Akteure, tätig zu werden – von einer Reihe externer Faktoren bestimmt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich bei den Beständen um überwiegend selbstgenutztes Wohneigentum handelt, stellt sich zunächst die Frage von Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten. Geht es um Eingriffe in bauliche Strukturen, stellt sich die Frage, auf welchen (planungs-) rechtlichen Grundlagen diese Eingriffe stattfinden können. Zudem steht die Qualifizierung der Bestände in Konkurrenz zu weiteren städtebaulichen Kernaufgaben. 

Grundsätzlicher Stellenwert des Einfamilienhausbestandes in der Stadtentwicklung

Der Grad der Auseinandersetzung mit dem Thema differiert merklich und reicht von Kommunen, die sich bisher gar nicht mit der Thematik auseinandergesetzt haben, zu Kommunen, die Umfang und Auswirkungen des Themenfelds bereits klar vor Augen haben. „Das Thema Einfamilienhausgebiete ist für uns eigentlich gar nicht im Fokus. Das ist gar nicht das, was bei uns bisher gebrannt hat, aber wir haben schon erkannt, dass uns da ein Prozess bevorsteht.“ (S5p) In den Blickpunkt stadtplanerischen Handelns gerät das Thema dabei u. a. durch die Erarbeitung kommunaler Demographieberichte und Stadtentwicklungskonzepte. Gerade bei Letzteren bedingt die umfassende Aufarbeitung entsprechender Ausgangslagen, dass sich die kommunalen Akteure erstmals über Problemlagen bewusst werden. Auch im Zusammenhang mit Überlegungen zur Innenentwicklung rücken die betrachteten Gebiete in den Blickpunkt entsprechender Auseinandersetzungen. Unter dem Thema Baulandpolitik wurde zudem deutlich, dass gerade auch kommunalpolitische Konstellationen entsprechende Handlungsstrategien beeinflussen. 

Insgesamt wurde deutlich, dass sich die Entwicklung von Einfamilienhausbeständen stets in Konkurrenz zu kommunalen Kernaufgaben und anderen drängenderen Handlungsfeldern bewegt. „Ich frage mich, was die Kommune überhaupt machen kann. Die Personalbestände sind nicht mehr so, wie sie mal waren. Man muss zusehen, dass man sich auf das Kerngeschäft konzentriert; man kann nicht in allen Bereichen mitspielen.“ (S3p) Unabhängig von entsprechenden Problematisierungen geht es den Kommunen bei der Auseinandersetzung mit dem Thema um einen wesentlichen Aspekt: Da es zum Umgang mit den Beständen keine Erfahrungen gibt, ist es sehr schwierig einzuschätzen, ob die Situation vor Ort bereits einen Handlungsbedarf erfordert. Erst in Relation zur Situation anderer Kommunen können die Akteure die spezifischen Gegebenheiten vor Ort einschätzen; d. h. es fehlen Indikatoren, die eine Art „Handlungsschwelle“ anzeigen.

Einschätzungen zu Ausgangslagen und Entwicklungsoptionen der Gebiete 

Der Generationenwechsel ist in den Gebieten im Gange. Teilweise ist er bereits weit fortgeschritten, teilweise beginnt er gerade erst. Ausgehend von der Annahme, dass in den nächsten Jahren eine höhere Anzahl von Gebäuden vor allem der 1960er und 1970er Jahre auf den Markt kommen wird, fällt es den Befragten nicht selten schwer, potenzielle Problemlagen und deren Ausmaß abzuschätzen und Handlungsnotwendigkeiten abzuleiten. „Der Eindruck ist schon, dass in den nächsten Jahren deutlich mehr Bestände auf den Markt kommen werden, weil die Bewohner dort immer älter werden. Es ist aber sehr schwer einzuordnen, ob es dabei zu Problemen kommen wird oder nicht.“ (S4p) Struktureller Leerstand wird von den kommunalen Akteuren bisher noch nicht beobachtet, in schwierigem Marktumfeld sichern Preisnachlässe die Nachnutzung. Kommunalvertreter nennen als wohl wichtigsten Faktor die Lage des Gebiets. Hier sind deutliche Unterschiede, auch innerhalb einer Kommune, zwischen den Kernstädten und den Stadtteilen zu beobachten. Gerade in Stadtteilen, die deutlich außerhalb der Kernstädte liegen, sind Vermarktungsprobleme zu befürchten. „Das entscheidende Kriterium ist Lage, Lage, Lage. Man muss unterscheiden zwischen ländlich strukturierten Bereichen und städtischen Bereichen. “ (S1p) Hinzu kommen der bauliche Zustand der Gebäude – besonders die energetische Qualität – sowie die Grundrisszuschnitte. Auf Ebene des Gebiets werden ein schlechtes Image, z. B. durch angrenzenden monotonen oder stigmatisierten Geschosswohnungsbau, eine große Entfernung zu zentralen Versorgungseinrichtungen und schwierige topographische Gegebenheiten als ungünstige Faktoren für die Entwicklung der Gebiete benannt. Dabei kann es durchaus sein, dass mehrere dieser „Negativ- Faktoren“ zusammentreffen: „Die Lage der Häuser ist ungünstig für Ältere und die Größe der Häuser zu klein für Jüngere.“ (L9p) Mit Betrachtung der Gebäudeebene wurde auch die Problematik der qualitativen Diskrepanz thematisiert. Die kommunalen Akteure bemerken, dass es Wohnwünsche gibt, die sich im Bestand nicht realisieren lassen bzw. die Gegebenheiten nicht zu den Anforderungen heutiger Nachfrager passen. Ebenso unterschiedlich wie die kommunalen Ausgangslagen sind die Einschätzungen zukünftiger Problemlagen. Thematisiert werden z. B. Schwierigkeiten, die sich aufgrund abnehmender Bevölkerungszahlen ergeben. Vermarktungsschwierigkeiten zeigen sich dann je nach Gebäude in unterschiedlichem Ausmaß, wobei der Sanierungsstau gerade in energetischer Hinsicht als ein wesentliches Vermarktungshemmnis im Rahmen der Interviews benannt wurde. Punktueller Leerstand von ein bis zwei Jahren wird dabei nicht als Faktor gesehen, der kommunales Handeln erforderlich macht. Präventivem Handeln wird jedoch insgesamt eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Zum einen, weil kommunale Planungs- und Entscheidungsprozesse einen langen Vorlauf brauchen, zum anderen, weil ein frühzeitiges Eingreifen meist mit geringerem Ressourcenaufwand einhergeht als Maßnahmen, die auf bereits umfangreiche Probleme reagieren müssen. Weit weniger als erwartet wird im Rahmen der Interviews das Thema der Aufrechterhaltung stadttechnischer Infrastruktur thematisiert. Lediglich in einem Interview wurden entsprechende Problematisierungen angesprochen, die sich aus einer zunehmenden Entdichtung für die kommunalen Gebührenstrukturen ergeben. „Es fängt an, spürbar zu werden […]. Ich habe heute die Wasserverbrauchszahlen, auf deren Grundlage wir die Kanalbenutzungsgebühren kalkulieren, auf den Tisch bekommen: Die Zahlen sind jetzt das dritte Jahr hintereinander eingebrochen, es drückt also auf die Daseinsvorsorge. Wir haben große Probleme, unsere Gebührenkonstrukte überhaupt noch aufrechtzuerhalten, weil es für den verbleibenden Bürger immer teurer wird.“ (L2p)  

Strategische Stadtentwicklungsplanung und Monitoring

Es gibt in einigen Bundesländern statistische Ämter, die als staatliche oder halbstaatliche Institutionen die Aufarbeitung entsprechender Daten der Kommunen übernehmen. Bei kommunalpolitischen Akteuren wird die Externalisierung entsprechender Aufgaben jedoch wegen eines befürchteten Kontrollverlusts auch kritisch gesehen. Wohnungsmarkt- und Stadtentwicklungskonzepte werden als durchaus sinnvoll angesehen. Die Kommunen erarbeiten Entwicklungskonzepte, um eine Leitlinie für das kommunale Handeln zu haben, aber auch um Fördermittel einzuwerben, deren Vergabe daran gebunden ist. (IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH, 2004) Die Erfüllungen dieser Anforderungen – die über die Erstellung eines Stadtentwicklungskonzepts hinausgehen – ist dabei gerade für Kommunen mit einer prekären finanziellen Ausgangslage nur schwer umsetzbar. Grundsätzlich wird bei dem Thema der Einwerbung von Städtebaufördermitteln darauf verwiesen, dass entsprechende Gelder häufig für bereits bestehende und dringender anzugehende Brennpunkte benötigt werden. „Wir sind seit 25 Jahren in der Städtebauförderung und haben in der Innenstadt fünf Sanierungsgebiete ausgewiesen. Es gibt dort so viel Handlungsbedarf, dass wir überhaupt nicht die Möglichkeit haben werden, Einfamilienhausgebiete in diese Sanierungsgebiete zu integrieren. Hinzu kommt, dass die Städtebaufördermittel um die Hälfte gekürzt wurden. […] Wir werden damit zu tun haben, die Brennpunkte in der Innenstadt noch über Städtebaufördermittel in den Griff zu bekommen.“ (L5p) 

„Wir sind seit 25 Jahren in der Städtebauförderung und haben in der Innenstadt fünf Sanierungsgebiete ausgewiesen. Es gibt dort so viel Handlungsbedarf, dass wir überhaupt nicht die Möglichkeit haben werden, Einfamilienhausgebiete in diese Sanierungsgebiete zu integrieren.“
Vertreter:in ländlich-peripher gelegener Kommune

Flächenmanagement und Innenentwicklung

Anknüpfend an strategische Überlegungen zur Stadtentwicklung geht es auch darum, die kommunale Flächennutzung zu steuern und vorhandene Potenziale im Innenbereich für eine weitere Baulandnachfrage zu nutzen. Bezogen auf die Entwicklung von Einfamilienhausbeständen verbindet sich dies mit der These, dass eine Reduzierung von Wohnbauflächen im Außenbereich die Nachfrage in den Bestand und somit auf die betrachteten Gebiete lenkt. Von kommunaler Seite wird jedoch konstatiert, dass die Entscheidung für eine Bestandsimmobilie in vielen Fällen keine logische Folge fehlender Neubaugrundstücke ist. Gewisse Wohnvorstellungen lassen sich im Bestand kaum realisieren, zudem gibt es Einfamilienhausnachfrager, die um jeden Preis neu bauen wollen. Mit dieser Erkenntnis verbinden die Kommunen die Befürchtung, dass Bauwillige bei zukünftig nicht mehr erfolgender Ausweisung neuer Baugebiete in Nachbarkommunen abwandern. „Wir haben eine Nachfrage nach Bauland, zugleich haben wir aber eine sehr restriktive Baulandpolitik betrieben. Die Konsequenz war nicht, dass die bestehenden EFH-Gebiete davon profitiert haben, sondern, dass unser Markt insgesamt uninteressant wurde. Das Phänomen muss man regional sehen. Wenn Interessenten einen Neubau planen – und eine gewisse Käuferschicht tut das – dann gehen sie eben ins Umland.“ (S3p) Das im letzten Zitat angesprochene Erfordernis einer regionalen Steuerung wird von den kommunalen Akteuren jedoch oftmals kritisch bewertet. Vorherrschend seien meist Konkurrenzsituationen, Kooperationen bei der Ausweisung von Wohngebieten seien nur schwer vorstellbar. „Die Nachbar-Kommunen arbeiten eher gegen uns und weisen immer weiter aus. Wir betrachten dies mit Skepsis. Dort werden die Problemgebiete gebaut, über die wir jetzt reden.“ (S1p) Vielmehr kristallisiert sich heraus, dass bereits die intrakommunale Abstimmung über eine kommunale Baulandpolitik die entsprechenden Planungsbehörden vor Herausforderungen stellen kann. 

Neben einer Reduzierung der Grundstücksausweisung impliziert die Steuerung des Flächenverbrauchs auf der anderen Seite auch die Mobilisierung unbebauter Grundstücke im Sinne einer Nachverdichtung in den Gebieten. Diese wird von den kommunalen Akteuren primär im Rahmen von Einzelfallentscheidungen praktiziert, konsistente Strategien für entsprechende Maßnahmen fehlen bisher. Zwei wesentliche Problematisierungen werden in diesem Zusammenhang angeführt. Zum Ersten handelt es sich dabei um die Tatsache, dass die Akzeptanz für entsprechende Maßnahmen von Seiten der umliegenden Bewohnerschaft vielfach nicht gegeben ist. Folglich kann Nachverdichtung nur dann eine Option sein, wenn ein möglichst großes Einvernehmen in der Nachbarschaft herrscht. Zum Zweiten können die Kommunen in der Regel nicht über die Grundstücke verfügen, da diese im Privatbesitz sind. Entsprechende Bauplätze liegen vielerorts über Jahre brach, da sie für die Erben vorgehalten werden. Eine Mobilisierung dieser Flächen ist in diesen Fällen kaum möglich. „Die Problematik ist, dass die privaten Eigentümer nicht bereit sind, ihre Grundstücke zum Verkauf anzubieten. […]. Es trifft uns jeden Tag, dass Anfragen da sind und niemand bereit ist, sein Privatgrundstück zu veräußern.“ (L8p) Das Thema Nachverdichtung kann sich unter Umständen als schwierig umzusetzende Maßnahme herauskristallisieren und wird von den Kommunen mitunter als wenig praktikabel eingeschätzt. Es bedeutet viel Aufwand und einen recht geringen Ertrag, da meist nur wenige neue Bauplätze entstehen. Die kommunale Bauleitplanung wird aber grundsätzlich als geeignetes Instrumentarium gesehen, um die Entwicklung der Quartiere zu steuern, ohne in erheblichem Maß zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen einsetzen zu müssen. In der Praxis stellen mögliche Maßnahmen, z. B. das Thema B-Plan-Änderungen, die Kommunen allerdings vor neue Herausforderungen. „Mir fällt ein Beispiel einer B-Plan-Änderung ein […]. Es ging um eine Doppelhausbebauung und Anfragen, im rückwärtigen Grundstücksbereich Anbauten machen zu können. Es handelte sich dabei um ein extrem schwieriges Unterfangen. Gerade bei dieser Doppelhausstruktur gab es schnell Spannungen in der Nachbarschaft. Ich glaube, wir haben es dann gelassen. Das war für mich ein Lehrbeispiel, wie schwer es ist, mit dem Instrumentarium B-Plan § 9 BauGB solche Dinge in Angriff zu nehmen. Man kann das eigentlich nur falsch machen, das kriegt man kaum in den Griff.“ (L7p)

Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Erfordernis einer Steuerung der Flächenausweisung durchaus gesehen wird, behindert wird diese jedoch durch die nach wie vor vorherrschende interkommunale Konkurrenz. Im Falle von Nichtausweisung wird ein Abwandern Bauwilliger befürchtet, da der Bestand in vielen Fällen nicht als Ersatz für den Neubau gesehen wird. Ein wirksames Instrumentarium, die Neuausweisung der Flächen zu begrenzen, scheint zu fehlen. Auch Strategien zur Innenentwicklung stehen nicht widerspruchslos zueinander. Auf der einen Seite will man neue Wohnformen im Bestand möglich machen – auch die altengerechte Anpassung der Bestände wird in diesem Zusammenhang thematisiert, um die Nachnutzung der Gebiete zu erleichtern. Auf der anderen Seite stehen Bemühungen, den Gebietscharakter und Gestaltungsqualität der jeweiligen Siedlungen zu erhalten.

Infrastruktur

Dem Thema Infrastruktur wird eine bedeutende Rolle zugesprochen. In der Praxis werden allerdings Vorhaben, die darauf abzielen, neue Läden in den Gebieten zu etablieren, als nicht einfach geschildert. Als Hinderungsgrund werden dabei durchaus auch die Bewohner der Quartiere selbst genannt. Diese wünschen auf der einen Seite entsprechende Einrichtungen in den Gebieten, auf der anderen Seite wollen sie den damit verbunden Anlieferungsverkehr und -lärm in der Nachbarschaft nicht in Kauf nehmen. „Ich glaube, es ist schon ein Thema, sich als Kommune um den Einzelhandel in den Gebieten zu kümmern. Aber ich plädiere dafür, den Bewohnern deutlich zu machen, dass Anspruch und Wirklichkeit bei ihnen zum Teil weit auseinander klaffen. Jeder will die Nahversorgung in seiner Nähe, die Vollversorgung zu Aldi-Preisen. Und wenn sie wirklich versuchen, einen integrierten Standort zu entwickeln, dann scheitert es auch daran, dass die Eigentümer die Flächen nicht zur Verfügung stellen wollen aus Angst vor erhöhter Verkehrsentwicklung etc.“ (S4p) Andere kommunale Akteure dagegen sehen die Sicherstellung der Versorgung nicht als originäre kommunale Aufgabe an. Sie argumentieren, dass der Markt auf entsprechende Bedarfe von selbst reagieren würde. Auch die Aufrechterhaltung von Kindergärten und Schulen wird als wesentlicher Faktor angesehen, der sich positiv auf die Entwicklung der Gebiete auswirken kann, da sie für neue Nachfrager attraktiv würden. „Wir hoffen schon, dass wir mit unseren Investitionen in Schulen und Kindergärten auch neue Einwohner akquirieren können. Also junge Familien, die sagen: ‚die Lage stimmt und die Betreuungsangebote auch, hier wollen wir leben‘. Also ich sehe nicht so sehr Investitionen im baulichen Bereich, sondern, dass wir unsere soziale Infrastruktur ausweiten bzw. erhalten, obwohl die Einwohnerzahlen zurück gehen.“ (L8p) Im letzten Zitat wird der entscheidende Aspekt angesprochen, gewisse Infrastrukturen auch über einen Zeitraum rückläufiger Nachfrage aufrechtzuerhalten. „Man sollte Schulen und Kindergärten nicht so schnell aufgrund fehlender Auslastung schließen. Vielmehr geht es darum, langfristig zu denken. Schließlich sollen junge Familien angesprochen werden. Zu diesem Zweck sollte man die Infrastruktur über ein paar Jahre erhalten, obwohl sie nicht die nötige Auslastung hat. Es geht darum, nicht ohne Perspektiven zu handeln, also Rahmenbedingungen zu schaffen, dass eine Wohnanlage weiterhin attraktiv bleibt.“ (S3p) Fraglich ist indes, ob die Kommunen auch bei einer zwischenzeitlich deutlichen Unterauslastung von Schulen oder Kindertagesstätten in der Lage sind, den Betrieb solcher defizitären Einrichtungen aufrechtzuerhalten, schließlich sind entsprechende Klassenmindestgrößen gesetzlich festgelegt. 

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Befragungen und des Workshops machen insgesamt deutlich, dass die kommunalen Akteure ein Eingreifen der öffentlichen Hand in die Entwicklung der Gebiete in bestimmten Fällen für richtig halten. Die angesprochenen Problematisierungen – knappe finanzielle Mittel und eine geringe Personaldecke – sind dabei wenig überraschend. Entsprechende Maßnahmen stehen stets in Konkurrenz zu weiteren, von den Kommunen als dringlicher angesehenen Aufgaben und Handlungsfeldern. Zudem wird die Umsetzung konkreter Maßnahmen durch die eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten der Kommunen begrenzt.Erwartungsgemäß räumen Kommunen, die bisher kaum Probleme in den Gebieten wahrnehmen, dem Thema einen geringeren Stellenwert ein. Kommunen mit ungünstigeren Ausgangslagen sehen dagegen durchaus Handlungsnotwendigkeiten und sind eher bereit, entsprechend tätig zu werden. Im Sinne des im Forschungsprojekt verfolgten Ansatzes, rechtzeitiges, proaktives Handeln zu fördern, folgt daraus, dass Kommunen, die bisher noch keinen Handlungsbedarf sehen, zumindest über ein laufendes Gebietsmonitoring nachdenken sollten.

In Bezug auf die kommunalen Handlungsmöglichkeiten ließ sich eine eher nüchterne Einschätzung feststellen – dies sowohl bei den Kommunen selbst als auch bei den Immobilienmarktakteuren. Zwar werden Handlungserfordernisse in Zukunft keineswegs ausgeschlossen, ja sogar für wahrscheinlich erachtet, die Handlungsmöglichkeiten aber werden als äußerst begrenzt bewertet. Häufig wurde auf kommunale Pflicht- und Kernaufgaben verwiesen, die bereits einen großen Teil der personellen und finanziellen Möglichkeiten absorbierten. Auch schätzten viele Interviewpartner die Konsolidierung oder Attraktivierung der Innenstadt und verdichteter Wohngebiete als drängendere Aufgabe ein. Zudem erschweren die spezifischen Eigentumsverhältnisse kommunale Interventionen jenseits örtlicher Bauleitund Infrastrukturplanung. Einige kommunale Interviewpartner verwiesen in diesem Zusammenhang auch auf Schwierigkeiten bei der Einwerbung von staatlichen Fördermitteln im Rahmen von Wettbewerbsverfahren oder Programmen mit höheren Kofinanzierungsanteilen. Gerade kleinere Gemeinden oder Gemeinden mit Haushaltssicherung seien nicht in der Lage, Eigenmittel im erforderlichen Maße zu mobilisieren. Dies erschwere ein proaktives Handeln in den Gebieten grundsätzlich.

Quellen

  • 1

    IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH: VergleichendeAuswertung von kommunalen Wohnraumversorgungskonzepten in Schleswig-Holstein. Berlin 2004 [https://www.ifsberlin.de/data/migrated/newsuploads/G72_Gutachten.pdf] (letzter Zugriff 09. 08. 2023)

Titelbild

Thomas Wolf