Der Traum vom Auszug
Die Geschichte von einem Rentnerpaar, das sein Einfamilienhaus gegen eine Wohnung tauschen wollte und dabei scheiterte
Die Nachricht einer Quartierskoordinatorin einer kooperierenden Kommune unseres Forschungsprojektes klang vielversprechend: „Mir kam bei Ihrem Bericht meine Wanderfreundin in den Sinn, die mit Ihrem Mann seit Jahrzehnten im wunderschönen Einfamilienhaus im Remstal wohnt. Das Ehepaar ist über 70 und überlegt immer wieder, ob es möglich und sinnvoll wäre, das Haus zu verkaufen und in eine altersgerechte, bezahlbare und zentral gelegene Eigentumswohnung zu ziehen. Nun will es der Zufall, dass im Zentrum von Beutelsbach gerade (große) Neubauwohnungen entstehen (privater Investor/Gewinnmaximierung).“ Die Bereitschaft von älteren Einfamilienhaus-Bewohner:innen, sogenannten Empty Nestern, nochmals umzuziehen, ist sehr selten. Deshalb waren wir stark an den Beweggründen des Ehepaars interessiert, denn wie aus der Mail auch hervorging: „Das Ehepaar hatte verschiedene Gespräche mit dem Investor und kam letztendlich zum Entschluss, im eigenen Haus wohnen zu bleiben.”
Bei unserem
Der Ruf nach Veränderung
Das Haus von Herrn und Frau Fröhlich wurde 1986 als Fertighaus errichtet und im Laufe der Jahre den veränderten Bedürfnissen angepasst. Trotzdem stellten beide im Laufe der Jahre fest, dass das Haus für sie zu groß geworden war und sie sich mit der Verwaltung, Pflege und Instandhaltung zunehmend überfordert fühlten. Bei unserem Gespräch begründet Herr Fröhlich (80) seinen Umzugswunsch darüber hinaus damit, dass er seine jüngere Frau (76) nicht alleine in dem Haus „zurücklassen“ will. Er habe daher vor fünf Jahren damit begonnen, nach einer altersgerechten, bezahlbaren und zentral gelegenen Eigentumswohnung in der Nähe ihres Wohnorts zu suchen. Frau Fröhlich sieht den Umzug in eine Wohnung, außerdem als gute Gelegenheit auszumisten, den Haushalt zu verkleinern und sich von altem Ballast zu befreien. Sie spüren, dass ihre Kräfte weniger werden, um beispielsweise den Garten anständig zu pflegen. So kann Herr Fröhlich „keine Heckenschere mehr bedienen“. Sie haben zwar häusliche Unterstützung. Da es aber schwierig ist, zuverlässige Hilfen zu finden, empfinden sie das große Grundstück dennoch als Last. „Das ist immer so eine Sache.“
Vom Suchen und nicht finden
Die Suche nach einer passenden Immobilie gestaltete sich aber weitaus schwieriger als gedacht. Es wurden mehrere Wohnungen in der näheren Umgebung besichtigt, die aber entweder zu klein oder zu weit entfernt waren. Ein Neubauprojekt im Zentrum des Wohnorts, auf das ihre Tochter sie aufmerksam machte, schien für das Ehepaar schließlich infrage zu kommen. Mit fünf Zimmern war es ausreichend groß und zentral gelegen. Daraufhin nahm Herr Fröhlich mit der Beratungsagentur Kontakt auf. Auf dem Baugrund war ein Info-Container aufgestellt.
Die Fröhlichs freundeten sich immer mehr mit dem Gedanken eines Umzugs an, auch wenn die Reaktionen gerade von den vier Kindern größtenteils negativ ausfielen. Die Kinder waren gegen den Umzug, aufgrund des Aufwandes, den Bestand des Hauses größtenteils aufzulösen. Zudem hatten sie Sorge, die Elternkönnten sich kräftemäßig übernehmen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.” Da sie selbst in Einfamilienhäusern und zudem weiter entfernt wohnen, bestand bei den Kindern auch kein Bedarf, einmal in das Elternhaus zurückzukehren.
„Ach das ist grausig, mir wird das langsam alles zu viel!”
Doch der eigentliche Knackpunkt war die Finanzierung. Für den Erwerb der 5-Zimmer-Wohnung hätten sowohl das bewohnte Einfamilienhaus als auch die vermietete Eigentumswohnung verkauft werden müssen. Der geschätzte Wert der Gegenfinanzierung, einschließlich der Mieteinnahmen, hätte das Paar in seiner Lebensführung stark eingeschränkt. „Wenn wir die Eigentumswohnung verkauft hätten, dann hätten wir unser monatliches Einkommen um 700 Euro reduziert. Das habe ich in der Begeisterung zunächst übersehen.“ Der Preis der Wohnung lag bei ca. 1.000.000 Euro, geschätzter Wert der Gegenfinanzierung war 700.000 Euro für das Haus und 300.000 Euro für die Wohnung. Schließlich entschieden die Fröhlichs, alles wie gehabt beizubehalten, denn sogar der Makler riet Ihnen vom Kauf bzw. Verkauf ab: „Also wenn ich ehrlich sein soll, bleiben Sie hier!“
„Also wenn ich ehrlich sein soll, bleiben sie hier!“
Alles in allem ist der Traum vom Auszug für das Rentnerehepaar vorerst ausgeträumt. Das Einfamilienhaus bleibt weiterhin ihr Zuhause, wenn auch vielleicht mit einigen Anpassungen. Sollte es zu Mobilitätseinschränkungen kommen, ist der Einbau eines Treppenlifts angedacht.
Gerade Frau Fröhlich ist mittlerweile erleichtert, dass sie sich gegen einen Umzug entschieden haben. Wenn sie etwas verändern könnte, dann wäre das die Intensivierung der nachbarschaftlichen Beziehungen. Für den Fall, dass sie in der Ehe einmal alleine zurück bleibt, möchte sie jedoch nicht in dem Haus wohnen bleiben: „Hier alleine zu wohnen, wäre eine Unverschämtheit gegenüber jungen Familien“. Alternativ könnte sie sich beispielsweise ein Betreutes Wohnen vorstellen.
„Hier alleine zu wohnen, wäre eine Unverschämtheit gegenüber jungen Familien”.
Was können wir tun
Barrierefreiheit und altersgerechte Wohnformen fördern!
Barrierefreiheit und altersgerechte Wohnformen sind ein wichtiger Baustein, um Menschen ein selbstbestimmtes und komfortables Leben nach dem Einfamilienhaus zu ermöglichen. Die einzige Wohnung, die für das Ehepaar Fröhlich in Frage kam, war nicht mal barrierefrei, sondern eine Maisonette. Wohnen im Alter bedeutet deshalb auch nicht automatisch eine barrierefreie 3-Zimmer-Wohnung. Die Wahl fiel auf eine Maisonette-Wohnung, da sie die einzige Wohnung auf dem Markt mit fünf Zimmern war. Nach einem Leben auf 130 m2 fällt es schwer, sich auf eine kleine Wohnung zu reduzieren. Das haben auch andere Bewohner:innen immer wieder geäußert. „Man hat sich an den Luxus des Abstands voneinander gewöhnt." Wir brauchen also Wohnalternativen mit räumlichen und funktionalen Qualitäten, die man sonst nur einem Einfamilienhaus zuschreibt. Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeiten und die Möglichkeit, soziale Interaktionen mit Nachbarn zu haben, sollten nicht aufgegeben werden, nur weil man in einer Wohnung lebt.
„Man hat sich an den Luxus des Abstands voneinander gewöhnt."
Es besteht jedoch ein Ungleichgewicht zwischen dem Neubau von Wohnungen für junge Familien und den Bedürfnissen älterer Menschen am Ende ihrer “Wohnkarriere”. Während der Staat beim Bau neuer Familienwohnungen großzügig unterstützt, werden barrierefreie Umbauten am eigenen Haus nur vergleichsweise geringfügiggefördert.
Welche Finanzierungskonzepte brauchen wir für umzugsbereite ältere Einfamilienhaus-Bewohner:innen?
Kommunale Anlaufstellen schaffen
Auch wenn ältere Einfamilienhaus-Bewohner:innen über die Aufgabe ihres Einfamilienhauses nachdenken, fehlt es vielen an der Vorstellungskraft, ob und welche alternative Wohnformen existieren und ob diese für ihre Bedürfnisse geeignet sind. Genauso überfordert viele allein der Gedanke, über den Umbau des eigenen Hauses nachzudenken, in dem beispielsweise das Wohnhaus in Wohnungen geteilt wird. Hilfreich sind deshalb Wohn-Beratungsstellen, die Menschen dabei helfen, ihre Wohnsituation zu überprüfen und ihre Wohnbedürfnisse anzupassen. Einzelne Länder wie Baden-Württemberg haben erste Stellen geschaffen. Die Motivation liegt darin, ältere Menschen dabeizu unterstützen, möglichst lange in ihrem vertrauten Wohnumfeld zu leben und ggf. betreut und gepflegt zu werden.
Genauso werden Wege gesucht, dem Wohnraummangel entgegenzuwirken, eine bessere Auslastung der bestehenden Wohnflächen zu erzielen und auf diesem Wege auch die Klimaziele zu erreichen. Ein Anreiz dazu besteht seit dem 1. April 2023 in Form einer Beratungsprämie in Höhe von 400 Euro. Sie soll dazu ermutigen, angesichts des knappen Wohnraums über einen möglichen Umbau und das Teilen von Häusern nachzudenken. Architekt:innen werden beauftragt, die Eigentümer eines Einfamilienhauses zu beraten und eine erste Einschätzung zu geben, wie ungenutzter Wohnraum aktiviert und Flächen besser genutzt werden können.
Bei den Fröhlichs geschah vieles aus Zufall. Über das Neubauprojekt erfuhren die beiden nur durch ihre Tochter, die für die Kommune arbeitet. Der Traum vom Auszug wäre ansonsten schon viel eher gescheitert. Nicht viele Einfamilienhausbesitzer entwickeln von alleine und frühzeitig den Wunsch nach einer räumlichen Veränderung. Daher ist es umso wichtiger, diejenigen, die eine solche Veränderung anstreben, bei der Suche nach neuen Wohnmöglichkeiten zu unterstützen. Auch hier könnte eine ortsbezogene Anlaufstelle über das aktuelle Bauvorhaben informieren und den Tausch von Wohnungen oder Häusern initiieren. Dadurch würde die Kommune automatisch Wissen über die Anforderungen an Wohnräume generieren und dieses in ihre zukünftigen Planungen integrieren können.