Das 1x1 vom Einfamilienhaus
Ein Einfamilienhaus ist nicht gleich ein Einfamilienhaus. Genauso zählen Reihenhäuser oder Doppelhäuser zur Kategorie Einfamilienhaus. Eine Übersicht:
Der folgende Artikel ist ein Auszug des Buches “Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren” (S. 34-39) von Andrea Berndgen-Kaiser, Kerstin Bläser, Rainer Danielzyk, Runrid Fox-Kämper, Karin Hopfner, Stefan Siedentop, Christina Simon-Philipp, Philipp Zakrzewski, welches 2012 im Eigenverlag der Wüstenrot Stiftung erschienen ist und kostenlos verfügbar ist.
Unterscheidungsmerkmale von Einfamilienhäusern
Auf der Ebene des einzelnen Gebäudes bzw. des Grundstücks lassen sich grundsätzlich fünf Gebäudetypen im Einfamilienhausbau in Bezug auf spezifische Merkmale hinsichtlich des Städtebaus, der Wohnqualität und potenzieller Umbau- bzw. Erweiterungsmöglichkeiten unterscheiden:
Freistehendes Einfamilienhaus
Das freistehende Einfamilienhaus ist frei auf dem Grundstück positioniert und auf allen Seiten von privaten Gartenflächen umgeben. Es ist meist ein- oder zweigeschossig und kann von allen Seiten belichtet werden. Das freistehende Einfamilienhaus gilt in Deutschland als die beliebteste Wohnform. Es gewährt die größten Freiheiten bei Gebäudegestaltung und Wohnverhalten (hoher Gebrauchswert
Reihenhäuser
Reihenhäuser sind Einfamilienhäuser, die Wand an Wand aneinander gebaut werden. Beim konventionellen Reihenhaus teilt sich die Wohnfläche meist auf zwei Ebenen auf. In der Regel befinden sich die Wohnräume im Erdgeschoss und die Individualräume im Obergeschoss. Endhäuser haben gegenüber Mittelhäusern eine weitere Belichtungsfläche und verfügen über größere Gärten. Reihenhäuser gelten als die kostengünstige Art des Einfamilienhauses. Die Reduzierung der Außenwandflächen durch beidseitigen Anbau senkt den Energiebedarf. Durch den zweiseitigen Anbau verfügen Reihenmittelhäuser jedoch nur über sehr eingeschränkte Erweiterungsmöglichkeiten. Anbauten oder Aufstockungen sind nur äußerst begrenzt möglich. Vielfach verhindern enge planungsrechtliche Festsetzungen (Baugrenzen, Geschosszahl, Gebäudehöhe, etc.) Umbaumaßnahmen. Wegen der gemeinsamen Bauteile und der direkten Betroffenheit der Nachbarn können bei Umbaumaßnahmen gestalterische und konstruktive Beeinträchtigungen entstehen
Doppelhaus
Bei Doppelhäusern handelt es sich um zwei selbständige, aneinander gebaute Einfamilienhäuser mit jeweils einem eigenen Zugang und Erschließungskern. Die Grundstücke sind in der Regel kleiner als bei freistehenden Einfamilienhäusern. Daher sind die Kosten für Grunderwerb und Erschließung geringer. Die Gärten werden zur Sicherung der Privatheit meist voneinander abgegrenzt (baulich oder durch Vegetation). Erweiterungen und Umbauten können wegen der gemeinsamen Bauteile und der direkten Betroffenheit des Nachbarn problematisch sein.
Kettenhaus
Bei Kettenhäusern handelt es sich um eine Reihung deutlich ablesbarer Einfamilienhäuser mit kleinen Zwischenteilen oder Versätzen, in denen sich meist die Garagen befinden. Durch die Distanz zum Nachbarn verfügen Kettenhäuser über mehr Privatheit als Reihenhäuser. Im Vergleich zu freistehenden Einfamilienhäusern haben Kettenhäuser kleinere Grundstücke. Wie bei Reihenhausbebauungen sind nur wenige Erweiterungsund Umbaumöglichkeiten vorhanden.
Gartenhaus
Gartenhofhäuser sind L- oder U-förmige Gebäude um einen kleinen, geschlossenen Wohnhof, über den die Räume belichtet werden. Die Bebauung ist meist eingeschossig und mit Flachdächern versehen. Die Gebäude sind in der Regel einheitlich gestaltet und aufgesiedelt und weisen einen geschlossenen Charakter auf. Sie können durch Gruppierung zu Teppichstrukturen zusammengefügt werden. Stellplätze werden meistens auf gesonderten Flächen dezentral untergebracht. Die Baustruktur bewirkt einen guten Wetter-, Sicht- und Schallschutz der Freibereiche. Es bestehen kaum Erweiterungsmöglichkeiten.
Zeitliche Zuordnung der Gebäudetypen
1950er Jahre
Die 1950er Jahre waren von der großen Wohnungsnot und den Wiederaufbaubestrebungen der Nachkriegszeit geprägt. Die Versorgung der Menschen mit Wohnraum stand im Mittelpunkt. Die Ansprüche an das Wohnen waren meist gering und wenig differenziert. Material- und kostensparende Bauweisen kamen zum Einsatz.
Einfamilienhaustypen der 1950er Jahre:
-freistehende Einfamilienhäuser (z. T. Kleinsiedlungsbau) und Doppelhäuser
-ein- / zweigeschossige Reihenhäuser
-bürgerliche Villen
-erste Fertighäuser (gegen Ende des Jahrzehnts)
In den 1950er Jahren waren die Grundstücke der Einfamilienhäuser vergleichsweise groß, da sie meist auch zur Selbstversorgung genutzt wurden. Die Gebäude der 1950er Jahre sind einfach gestaltet und haben meist ein Satteldach (30° Neigung, oft auch steiler). Die Grundrisse sind kompakt organisiert und erlauben den damaligen Wohnraumförderungsbestimmungen entsprechend eine horizontale Teilung in zwei kleinere Wohnungen. Die Wohnräume sind meist sehr klein und die Geschosshöhen gering. Die Außenwände haben nur sehr geringe Querschnitte mit schlechten Wärme- und Schallschutzeigenschaften. Die Wärmeversorgung erfolgte ursprünglich über Einzelofen- oder Gasheizungen. Heute weisen die Gebäude der 1950er Jahre zahlreiche bautechnische und bauphysikalische Mängel auf. Eine Sonderform stellt der Kleinsiedlungsbau dar, der in den frühen 1950er Jahren als eigene Bau- und Wohnform eine größere Bedeutung erlangte. Der Kleinsiedlungsbau erreichte um 1954 seine Blütezeit und ging dann bis Ende der 1960er Jahre fast gänzlich zurück – Ausnahmen bilden Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bis Anfang der 1970er Jahre
1960er Jahre
Einfamilienhaustypen der 1960er Jahre:
-freistehende Einfamilienhäuser und Doppelhäuser; oft auch Flachdachbungalows-
-ein- und zweigeschossige Reihenhäuser in langen Zeilen
-verdichteter Flachbau in Form von Gartenhofhäusern (Teppichbebauung)
Durch den wirtschaftlichen Aufschwung wurde der Erwerb eines Eigenheims für größere Bevölkerungsschichten möglich. Der steigende Wohnflächenkonsum führte zu einem Anstieg der Baulandpreise und in weiterer Folge zu einer stärkeren Ausnutzung der Grundstücke. Ab Mitte der 1960er Jahre nahm die durchschnittliche Grundstücksgröße ab, und es wurden vorwiegend Reihenhäuser gebaut – zuerst eingeschossig, später zweigeschossig mit oder ohne Keller. Das Gartenhofhaus erlebte in den 1960er Jahre einen kurzzeitigen Durchbruch
1970er Jahre
Nach der Ölkrise 1973 erfolgte ein grundlegendes Umdenken, das sich auch stark auf den Städte- und Wohnungsbau auswirkte. Aufgrund der steigenden Bodenpreise entstanden immer weniger freistehende Einfamilienhäuser. Kosten- und flächensparendes Bauen stand im Vordergrund.
Einfamilienhaustypen der 1970er Jahre:
-Reihenhäuser
-weniger freistehende Einfamilienhäuser; Zunahme von Zweifamilienhäusern
-erste Stadthäuser
-ab Mitte / Ende der 1970er Jahre nur noch vereinzelt Gartenhofhäuser
-vermehrt Fertighäuser
Ab Mitte der 1970er Jahre nahm der Bau von Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern wegen steuerlicher Vorteile stark zu. Vielfach wurden jedoch nur Einliegerwohnungen in den Gebäuden untergebracht, damit das Haus als Zweifamilienhaus steuerlich abschreibbar war. Die Grundrisse vieler Einfamilienhäuser aus dieser Zeit haben große Wohnzimmer bei gleichzeitig sehr kleinen Individualräumen. Das häufig in den Wohnraum integrierte Treppenhaus steht flexiblen Nutzungen entgegen. Einfamilienhausgebiete der 1970er Jahre sind von einer vielfältigen Architektur geprägt. Neben Steildächern kamen immer mehr auch Flachdächer zum Einsatz. Beton wurde als bevorzugtes Baumaterial verwendet, führte jedoch durch baukonstruktive Mängel (Wärmebrücken) häufig zu hohen Energieverlusten. Trotz Ölkrise blieben die Mindestanforderungen an den Wärme- und Schallschutz noch sehr gering, erst 1977 trat eine erste Wärmeschutzverordnung mit minimalen Anforderungen in Kraft.
1980iger Jahre
Quellen
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1
Böltken, Ferdinand / Schneider, Nicole / Spellerberg, Annette: Wohnen – Wunsch und Wirklichkeit. Subjektive Prioritäten und subjektive Defizite als Beitrag zur Wohnungsmarktbeobachtung. In: Informationen zur Raumentwicklung. 2/1999, S. 141 – 156
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2
Pfeifer, G. / Brauneck, P.: Reihenhäuser. Eine Wohnbautypologie. Basel, Boston, Berlin 2008
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3
Harlander, T.: Wohnen und Stadtentwicklung in der Bundesrepublik. In: Flagge, I. (Hg.): Geschichte des Wohnens, Band 5. Von 1945 bis heute. Aufbau – Neubau – Umbau. Stuttgart : Dt. Verlags-Anstalt 1999, S. 233 – 420
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4
Jessen, J. / Simon, Chr.: Städtebau – Vom eigenen Haus mit Garten zum suburbanen Wohnquartier. In: Harlander, Tilman (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Ludwigsburg. München 2001, S. 355
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5
Simon, Chr.: Suburbane Wohngebiete. Konzepte zur städtebaulichen Qualifizierung des Ein- und Zweifamilienhauses in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1999. Dissertation, Stuttgart 2001, S. 192 – 203
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6
Flagge, Ingeborg: Zwischen Leitbild und Wirklichkeit. In: Flagge, I.: Die Geschichte des Wohnens. Von 1945 bis heute. Aufbau – Neubau – Umbau. Stuttgart 1999, S. 807 – 948
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7
Simon, Chr.: Suburbane Wohngebiete. Konzepte zur städtebaulichen Qualifizierung des Ein- und Zweifamilienhauses in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1999. Dissertation, Stuttgart 2001, S. 192 – 203
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8
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9
https://www.baunetzwissen.de/altbau/fachwissen/baualtersstufen/baualterstufe-der-80er-jahre-649849 (Zugriff am 2.8.2023)
Bildcredits
Thomas Wolf
Infografiken
aus: Simon-Philipp, Christina/ Korbel, Josefine: (2016) Einfamilienhäuser 50/ 60/ 70. Stadtentwicklung und Revitalisierung. Hg: Wüstenrot Stiftung