Allgemeine Entwicklungsstrategien von Einfamilienhausgebieten
Einfamilienhausgebiete durchlaufen in der Regel einen zyklischen Entwicklungsprozess. Welche Steuerungsmöglichkeiten ergeben sich für Kommunen?
Der folgende Artikel ist ein Auszug des Buches “Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren” (S. 224 ff.) von Andrea Berndgen-Kaiser, Kerstin Bläser, Rainer Danielzyk, Runrid Fox-Kämper, Karin Hopfner, Stefan Siedentop, Christina Simon-Philipp, Philipp Zakrzewski welches 2012 im Eigenverlag der Wüstenrot Stiftung erschienen ist.
Wie alle neu errichteten Wohnsiedlungen durchlaufen auch Einfamilienhausgebiete einen zyklischen Entwicklungsprozess. Bei dieser Gebietsform sind jedoch aufgrund der anfänglichen Dominanz junger Familien und des hohen Anteils selbstnutzender Eigentümer die unterschiedlichen Phasen oft besonders stark ausgeprägt. In Anlehnung an die vereinfachte Systematik von
Expansionsphase
Am Beginn der Entwicklung steht die vom Zuzug einer im Mittel eher jungen Bevölkerung getragene Expansionsphase. Wenn das Gebiet vollständig aufgesiedelt ist, sinkt das Durchschnittsalter der Bewohner durch weiteren Familienzuwachs, die Anzahl der Bewohnerschaft steigt aber nur noch moderat. Vorhandene Infrastruktur, wie Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten sind ausgelastet.
Konsolidierungsphase
Als nächstes kommt das Gebiet in die Konsolidierungsphase. Es werden kaum noch Kinder geboren, die Bewohnerzahl bleibt im Wesentlichen stabil und das Durchschnittsalter steigt langsam. Läden und andere Wohnfolgeinfrastruktur funktionieren, der Bedarf an sozialer Infrastruktur verändert sich aber entsprechend dem Heranwachsen der Kinder (z.B. weiterführende Schulen, Freizeitinfrastruktur, Gastronomie).
Schrumpfungsphase
Mit dem Auszug der ersten Kinder aus ihren Elternhäusern beginnt die Schrumpfungsphase. Wenn alle Kinder erwachsen und weggezogen sind, hat das Gebiet etwa die Hälfte seiner Bewohner verloren und das Durchschnittsalter ist stark gestiegen. Die zurückgebliebenen Empty-Nester altern, die Zahl der Bewohner sinkt weiter und das Durchschnittsalter des Wohngebiets erreicht seinen Höhepunkt. Aufgrund von Umsatzeinbußen kann es in dieser Phase zur Schließung vorhandener Einzelhandelseinrichtungen kommen, und kommunale Infrastrukturleistungen wie Kindergärten müssen an die gesunkene Nachfrage angepasst werden.
Umbruchphase
Wenn die ersten Häuser aufgrund des Ablebens oder Wegzugs der Erstbezieher frei werden, beginnt die Umbruchphase, die entscheidend für die künftige Weiterentwicklung eines Wohngebiets ist. Der Umbruch bezieht sich dabei nicht nur auf den Generationenwechsel der Bewohner, sondern beispielsweise auch auf das Image und die Gebäudestruktur des Wohngebiets. Denn die Gebietsentwicklung wird nicht nur vom Austausch der Bevölkerung, sondern auch von der regionalen und gebietsspezifischen Immobilienpreisentwicklung, den lokalen wirtschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen und weiteren Faktoren beeinflusst. Es lassen sich ganz grob drei mögliche Entwicklungsrichtungen unterscheiden:
Gebiete können Selbstläufer sein, d. h. freiwerdende Häuser werden vom Markt aufgenommen, ohne dass sich der Charakter des Gebiets merklich verändert.
Aufgrund von begünstigenden Faktoren wie einer guten Wohnlage, günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und einer entsprechend hohen Nachfrage können Gebiete so stark nachgefragt werden, dass sie bezogen auf das Image, aber auch die Immobilienpreise aufgewertet werden.
Aufgrund der im Privateigentum befindlichen Häuser und Grundstücke ist die Entwicklung eines Einfamilienhausgebietes zwar überwiegend ein marktgesteuerter Prozess, Kommunen haben aber durchaus Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, soweit dies im Interesse des Allgemeinwohls liegt. Bei stabilen oder aufsteigenden Gebieten ist kein Eingreifen der öffentlichen Hand angezeigt – abgesehen von der normalen Steuerung der baulichen Entwicklung. Sind jedoch Verschlechterungstendenzen bereits sichtbar oder kündigen sich an, können sich Handlungserfordernisse ergeben. Um dem kommunalen Handeln in Bezug auf die Bestandsentwicklung in gefährdeten Einfamilienhausgebieten eine nachvollziehbare und verlässliche Grundlage zu geben, empfiehlt es sich, dass Kommunen für diese Gebiete – am besten zusammen mit den Bewohnern – konkrete Ideen und Ziele entwickeln. Es ist zu untersuchen, welche Rolle und Funktion dem jeweiligen Eigenheimgebiet für die Stadtentwicklung bzw. für die lokale Wohnraumversorgung zukommt und welche gebietsspezifische Strategie am besten geeignet ist, um eine nachhaltige Nutzung und Weiterentwicklung zu gewährleisten. Gebietsentwicklungsstrategien sollten daher auf Grundlage von Analysen und Untersuchungen auf der Gebietsebene sowie unter Berücksichtigung der regionalen und gesamtstädtischen Rahmenbedingungen entwickelt werden. Im Idealfall basieren sie auf einem Stadtentwicklungskonzept oder sonstigen übergeordneten Konzepten (z. B. Wohnungsmarktkonzept) bzw. setzen deren Zielsetzungen um.
Was können wir tun
Für gefährdete Einfamilienhausgebiete lassen sich drei verschiedene Gebietsentwicklungsstrategien unterscheiden, die sich auch kombinieren lassen: Stabilisierung – Qualifizierung – Umstrukturierung.
Je nach Gebiet und gewählter Strategie können Kommunen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen und ihre Rolle bzw. das Maß ihres Eingreifens variieren. Die hier vorgestellten Gebietsentwicklungsstrategien sind nicht als direkt übertragbare und sofort einsetzbare Blaupausen zu verstehen, sondern sie sollen lediglich zeigen, welche prinzipiellen Steuerungsmöglichkeiten Kommunen in Bezug auf die Bestandsentwicklung in Einfamilienhausgebieten haben.
Stabilisierungsstrategien
Stabilisierungsstrategien kommen vor allem für Einfamilienhausgebiete in Frage, die bislang als Selbstläufer eingestuft werden konnten, bei denen sich jedoch teilweise problematische Entwicklungen abzeichnen. Die Bebauungsstruktur und die Gebäude entsprechen nicht mehr den heutigen Ansprüchen und Standards, aber angesichts der überwiegend positiven Rahmenbedingungen kann mit einigen wenigen Maßnahmen erreicht werden, dass sich das Gebiet weiterhin als Selbstläufer behaupten wird. Stabilisierungsstrategien sind daher besonders für Regionen, Kommunen und Gebiete mit einer ausreichenden Nachfrage nach Bestandseigenheimen geeignet. Aus stadtentwicklungspolitischer Sicht sollen diese Gebiete in ihrer aktuellen Struktur, Charakteristik und Wohnfunktion erhalten bleiben. Bestehende Mängel und Missstände werden zeitnah beseitigt und vorhandene Standortpotenziale ausgeschöpft. Die Wohnfunktion wird gestärkt und unter Wahrung der vorhandenen städtebaulichen Grundstrukturen aufgewertet. Umfangreiche Stadtumbaumaßnahmen oder Umstrukturierungen sind in Stabilisierungsgebieten dagegen in der Regel nicht erforderlich.
Qualifizierungsstrategien
Qualifizierungsstrategien sind vor allem für Einfamilienhausgebiete empfehlenswert, die aufgrund ungünstiger Rahmenbedingungen und unattraktiver Gebietseigenschaften Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer langfristigen Nutzung erwarten lassen, aber andererseits durch gezielte Maßnahmen das Potenzial besitzen, sich positiv weiterzuentwickeln. Gezielte Aufwertungsmaßnahmen können dazu beitragen, Attraktivitätsverluste und Wertverfall zu vermeiden und die Nutzungsperspektiven von Gebieten zu verbessern. Qualifizierungsmaßnahmen sind aber auch für Gebiete geeignet, die aufgrund positiver Rahmenbedingungen zwar keine Nachfrageprobleme aufweisen, die aber durch Veränderungen der Gebiets- und Gebäudestruktur stärker zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen und weitere Aufgaben im Bereich der Wohnraumversorgung in der Stadt übernehmen könnten (z. B. durch Nachverdichtung von Gebieten).
Umstrukturierungsstrategien
Umstrukturierungsstrategien kommen für Gebiete in Frage, bei denen aufgrund negativer Rahmenbedingungen (starke Bevölkerungsabnahme, wirtschaftliche Schwierigkeiten) und nachteiliger Gebietseigenschaften bereits heute Nachnutzungsprobleme bestehen und langfristig nicht mit einer Erholung der Nachfrage gerechnet werden kann. Bei sehr schlechten Gebäudeeigenschaften könnte der Abbruch der nicht mehr marktgerechten Häuser und ggf. der Ersatzneubau von nachgefragten Wohnformen ins Auge gefasst werden. Umstrukturierungsmaßnahmen können auch die Nutzungsart betreffen, etwa die stärkere Öffnung für Nichtwohnnutzungen. In Gebieten, in denen sich Leerstände ausweiten und damit einhergehend die Attraktivität noch weiter abnimmt, könnten Rückbaumaßnahmen notwendig werden, um städtebauliche Missstände zu beseitigen. Durch den flächenhaften Rückbau besonders unattraktiver Bestände könnte die Funktionsfähigkeit anderer Gebiete in einer Kommune verbessert bzw. stabilisiert werden.
Quellen
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1
Herlyn, U.: Leben in der Stadt. Lebens- und Familienphasen in städtischen Räumen. Opladen 1990
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2
Zakrzewski, P.: In der Übergangszone: Alternde Einfamilienhausgebiete zwischen Revitalisierung, Stagnation und Schrumpfung. In: Schnur, O. / Drilling, M. (Hg.): Quartiere im demografischen Umbruch. Beiträge aus der Forschungspraxis. Wiesbaden 2011, S. 47-66