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In Deutschland gibt es 16,1 Millionen Einfamilienhäuser.

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In fast 60% der bestehenden Einfamilienhäuser wohnen nur ein oder zwei Personen.

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65% der Deutschen träumen vom Leben in einem Einfamilienhaus.

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25% aller Eigentümer:innen haben ihre Immobilie im Alter über 69 noch nicht abbezahlt.

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Ein Einfamilienhaus kostete im Jahr 2022 doppelt so viel wie im Jahr 2009.

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Seit den 1990er Jahren wurde der Wohnungssektor zunehmend Privatangelegenheit - durch Eigenheimzulage, Pendlerpauschale und Bausparer.

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In einem Einfamilienhaus zu leben, erhöht die Autoabhängigkeit.

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Im suburbanen Raum gibt es durchschnittlich 1,6 Pkw pro Haushalt.

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Ein Pkw parkt durchschnittlich 20 Std. am Tag am Wohnort und nimmt 13,5 qm Fläche in Anspruch

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Jeden Tag werden in Deutschland 22 Hektar für den Bau von Einfamilienhäusern beansprucht.

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83% aller Wohngebäude sind Ein- und Zweifamilienhäuser - sie sind ein bedeutender Hebel für den Klimawandel.

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Die Sanierung eines Einfamilienhauses verbraucht nur 1/3 der Emissionen eines Neubaus.

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Einfamilienhäuser werden immer größer gebaut - zwischen 2007 und 2017 um fast 20%.

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In Baden-Württemberg sind fast 40% aller Neubauten Fertighäuser.

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84% aller Gemeinden in Deutschland weisen neue Einfamilienhausgebiete aus.

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Bis in die Neunziger Jahre galten Einfamilienhausgebiete lange Zeit als Selbstläufer, für die keine intervenierende Planung notwendig schien.

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Für den Umgang mit bestehenden Einfamilienhausgebieten gibt es in den Kommunen wenig Erfahrung und kaum Ressourcen.

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Zitieren
Klafft, T., Gruber, R. (15.November 2024). Der unsichtbare Leerstand im Einfamilienhaus. Leben vor der Stadt. Zugegriffen am 05. Februar 2025, von http://leben-vor-der-stadt.de/alle-artikel/der-unsichtbare-leerstand-im-einfamilienhaus.
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Der unsichtbare Leerstand im Einfamilienhaus

Wie mehr Kommunikation, Kooperation und Kollaboration es möglich machen kann, die riesigen Flächenpotentiale von bestehenden Einfamilienhäusern besser zu nutzen. Ein Gastbeitrag von Torsten Klafft und Roland Gruber

Einfamilienhäuser sind für die meisten Deutschen und Österreicher:innen der Traum von Selbstverwirklichung und Zeichen dafür, dass man es geschafft hat. Doch wird dieser Traum von einem Chor von Kritiker:innen begleitet, denn er ist untrennbar verknüpft mit Bodenversiegelung, sozialer Abgrenzung und Zersiedelung. Rund 16 Millionen Einfamilienhäuser stehen in Deutschland, circa 1,5 Millionen in Österreich, ausreichend Wohnraum für die gesamte Bevölkerung. Noch zu selten wird thematisiert, dass dieser riesige Bestand von relativ wenigen Menschen bewohnt wird. Das enorme Potential dieser ungenutzten Flächen – nicht nur was die Senkung des CO2 Verbrauchs betrifft, sondern auch für die Wohnungsfrage – macht es zu einem Megathema unter dem Radar.

Was ist problematisch an Einfamilienhäusern?

Oftmals wird in Fachdiskursen die Typologie des Einfamilienhauses grundsätzlich in Frage gestellt. Die Kritik begleitet schon seine gesamte Geschichte, doch die Beliebtheit tut das keinen Abbruch. 65% der Deutschen wollen so leben. Der akute Handlungsdruck entsteht jedoch dadurch, dass die bestehenden Häuser nicht ausreichend genutzt werden. Immer weiter wird unversiegelte Flächen als Bauland ausgewiesen, auch wenn die Einwohner:innenzahlen vielerorts stagnieren. Während junge Familien nach Wohnraum suchen, leben in den bestehenden Einfamilienhäusern meist ältere Paare oder Einzelpersonen. Doch dieser Leerstand bzw. diese Unternutzung ist versteckt und die emotionale Bindung zum Eigenheim verdeckt die tatsächlichen Probleme. Es lohnt sich, sich dem Thema aus den drei Nachhaltigkeitsperspektiven Ökonomie, Ökologie und Sozialer Nachhaltigkeit zu nähern, um zu verstehen, auf welche Ebene Lösungen ansetzen müssen. Dies macht zudem deutlich, dass es interdisziplinärer Zusammenarbeit bedarf, um sich dem Thema zu anzunehmen.

Ökonomie: Falsche wirtschaftliche Sicherheitsversprechen

In Deutschland wie auch Österreich sind die ländlichen Räume prägend. Rund 70 Prozent der Fläche und etwa 60 Prozent der Einwohner:innen sind bzw. leben in ruralen Gebieten. Hier fand in den letzten Jahrzehnten Siedlungsentwicklung vorwiegend in Form von Einfamilienhäusern am Ortsrand statt, während gleichzeitig die Ortskerne ausbluteten. Es kann von einer flächendeckenden Problematik gesprochen werden, denn es geschieht überall: das Lebenswerk des eigenen Hauses wird im Alter zur Belastung. Einfamilienhäuser werden meist mit mehreren Kinderzimmern für junge Familien gebaut. Nach dem Auszug der Kinder stehen die Kinderzimmer leer, das sogenannte Emty-Nest-Syndrom entsteht. Als Empty-Nester werden Personen zwischen 40 und 64 Jahren bezeichnet, die eigene Kinder haben, die aber nicht mehr im gleichen Haushalt wohnen. Häufig werden die Zimmer nicht einmal neu möbliert und umgenutzt, sondern warten als persönliches Gästezimmer auf den nächsten Besuch (unbenommen ist, dass dies auch die 5-Zimmer-Wohnungen im Altbau betrifft. Der vorliegende Text behandelt jedoch die spezifische Konstellation des Einfamilienhauses – vornehmlich im ländlichen Raum) Für die Eltern, denen dann im besten Alter das gesamte Haus zur Verfügung steht, fühlt es sich so selbstverständlich an. Doch im höheren Alter ändert sich die Situation: Die Treppe ins Obergeschoss wird zum Hindernis, der Staub Zentimeter hoch. Es wird immer schwieriger den Garten zu bewirtschaften oder das Haus sauber zu halten. Der Bewegungsradius und der wirklich genutzte Raum im Haus werden immer kleiner. Angesichts der demografischen Entwicklung und dem anstehenden Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge besteht hier dringender Handlungsbedarf. In rund 60% der Einfamilienhäuser in Deutschland leben nur mehr 1-2 Personen und für drei Viertel kommt ein Umzug grundsätzlich in Frage, auch wenn er aufgrund fehlender Optionen nicht umgesetzt werden kann.

In fast jeder Familie kann jemand von Eltern, Großeltern oder Bekannten berichten, deren Haus ihnen eigentlich zu groß ist. Dabei stehen größere Sanierungen meist dann an, wenn die Rente kaum zum Heizen des großen Hauses reicht und das Ersparte in die Ausbildung der Kinder gesteckt wurde, die sich wiederum weit weg rund um ihre Studien- oder Arbeitsorte sesshaft gemacht haben. Die einzelnen Fälle sind immer sehr individuell, aber das Problem ist strukturell: Noch immer wird das Einfamilienhaus als Lebenstraum vermarktet und nicht als Wohnlösung für einen Lebensabschnitt für Familien. Hierum hat sich ein Markt etabliert, der den Menschen noch immer suggeriert, dass sie sich mit dem eigenen Haus ein Lebenswerk schaffen können, während die Jahrzehnte später in Erscheinung tretenden Nachteile verschwiegen werden.

Ökologie: Einbahnstraße fossilen Ressourcenverbrauchs

Durch den hohen Erschließungsaufwand sind Einfamilienhäuser besonders flächenintensiv und die kleinteiligen Bauvolumen energetisch nur aufwendig zu heizen, was durch dicke Dämmpakete nur kaschiert werden kann. Zudem führt es dazu, dass gleichwertige Lebensverhältnisse im ländlichen Raum nur durch das Auto gewährleistet werden können. Jahrzehntelang wurde die Strategie verfolgt, den Raumwiderstand durch mehr individuelle Mobilität zu reduzieren. Wenn alle mit ihrem Auto mobil sind, müssen nur noch wenige Versorgungsknoten erhalten werden. Im Ergebnis haben Dörfer und kleinere Kommunen praktisch keine Versorgungsaufgaben mehr und ihre Identität verloren, weil sie zu Schlaf- und Ruhestätten wurden. Der Großteil der Bewohner:innen ist auf das Auto angewiesen, um in die Ballungsräume zu fahren, dort zu arbeiten, einzukaufen und um die kulturellen Angebote zu nutzen. Zurück bleiben Ältere und Immobile: Nur wer sich permanent bewegt, kann noch am Leben teilhaben. Die Folgen sind zu viel Verkehr, zu hoher Flächen- und Ressourcenverbrauch und zu wenig Lebensqualität unmittelbar vor Ort. Zwar hat sich durch die Digitalisierung und Pandemie das Arbeiten im Home-Office verbreitet und eine Reduktion des Pendelns mit sich gebracht, das ändert aber noch nichts an der generellen Problematik.

Viele Studien weisen darauf hin, dass Insekten, Vögel und Amphibien unter den Auswirkungen leiden, die die geringere Wasseraufnahmefähigkeit der Böden nach sich zieht.

Die immer weiter fortschreitende Zersiedlung, zum großen Teil getrieben von der stetigen Nachfrage nach Bauland, stellt eine enorme Gefahr für die Biodiversität dar. Viele Studien weisen darauf hin, dass Insekten, Vögel und Amphibien unter den Auswirkungen leiden, die die geringere Wasseraufnahmefähigkeit der Böden nach sich zieht. Hinzu kommt der stetig wachsende Bedarf der Baubranche an Rohstoffen. Das Bauwesen erschließt immer neue Materiallagerstätten, deren Transport und Weiterverarbeitung einen Großteil der CO2-Emmissionen verursachen. Innovationen wie zirkuläres Bauen und nachwachsende Materialien setzen sich nur langsam durch und werden in großen Bauvorhaben getestet. Der Einfamilienhausbau ist von konventionellen Bautechniken geprägt, die zumeist allein schon aus finanziellen Gründen weiterhin den Vorzug erhalten.

Soziale Nachhaltigkeit: Gefahr der Vereinsamung statt Wohnraum für alle

Die Siedlungsstruktur im ländlichen Raum wird der Diversität unserer Gesellschaft nicht mehr gerecht. Das Angebot in Form von Einfamilienhäusern ist vorrangig an Mehrpersonenhaushalte, meist Familien, gerichtet. So ist eine Art Monokultur des Wohnens entstanden. Dies entspricht jedoch auch im ländlichen Raum nicht mehr den hochindividualisierten Lebensstilen der Bevölkerung, die in ihrer Vielschichtigkeit der urbanen Diversität kaum nachsteht. Langfristig angelegte Lebensläufe mit linearen Arbeitsbiografien sind in Deutschland längst nicht mehr die Normalität. In der Bau- und Immobilienbranche ist diese Differenzierung jedoch noch nicht wirklich angekommen: der Wohnungsmarkt passt sich diesen Entwicklungen nur dann an, wenn Aussicht auf rentable Vermarktungsmodelle besteht. Während die Typologie des Einfamilienhauses für ältere Paare oder Alleinstehende mit der Zeit zur Belastung wird, fehlen Angebote für ein altengerechtes Wohnen außerhalb des Pflegeheims. So ist ein profitabler Markt aus dem Dilemma entstanden, statt verbesserte Angebote für die Bewohner:innen zu schaffen. Diese sollten im bekannten Umfeld liegen, sodass die sozialen Beziehungen erhalten bleiben können, während kurze Wege und barrierefreie Gebäude wieder mehr Mobilität ermöglichen. Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere Lebenssituationen, in denen temporärer und flexibler Wohnraum gebraucht wird. Für immer mehr junge Menschen ist der ländliche Raum nach der Ausbildung oder dem Studium wieder attraktiv. Dafür wollen sie sich nicht direkt auf den Erwerb eines Eigenheims festlegen. Vor einer Familiengründung ist der Platzbedarf geringer und die ökonomische Situation angespannter. Hinzu kommen Singles, Paare in Trennung, Paare ohne Kinder oder ortsflexibel Arbeitende, die vielleicht einen kompakten, kostengünstigen Zweitwohnraum benötigen. Ohne Alternativangebote bleiben die älteren Bewohner:innen alleine in den großen Häusern und es steigt der Druck, neues Bauland für Familien auszuweisen, ohne das dabei bezahlbarer oder barrierefreier Wohnraum entsteht.

Warum wollen dann trotzdem so viele ein Einfamilienhaus?

Im Zuge der Klimakrise wird oft über dringend notwendige Änderungen unserer Gewohnheiten gesprochen. Dabei geht es zum Beispiel darum, kein Flugzeug mehr zu nutzen, öfter den Standby-Modus abzuschalten oder mehr mit der Bahn zu fahren, statt das eigene Auto zu nehmen – lediglich schlechte Gewohnheiten also. Wenn wir das Thema Wohnen im Kontext der Klimaveränderung aber ernst nehmen, geht es jedoch um weit mehr und es betrifft das Privateste und Intimste, was wir haben: das eigene Wohnen! 

Wohnträume

Es geht dabei um den Traum, wir ein gelungenes Leben aussieht. Dieser Traum ist tief verankert und wird immer wieder von Neuem geträumt. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu beschrieb schon 1998 in seinem Buch Der Einzige und sein Eigenheim ausführlich, wie solche kulturellen Phänomene über Jahrhunderte heranwachsen, bis sie ganz natürlich und selbstverständlich erscheinen. Mit einem Einfamilienhaus im Eigentum „hat man es geschafft“! Doch was steckt hinter dieser Status-Anzeige? Wie können die Kinder behütet aufgewachsen? Wie kann man nach der Lohnarbeit wirklich entspannen? Wie kann man etwas Bleibendes schaffen? Der Soziologe Marcus Menzl nennt die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, Sozialprestige, Freiräumen, Sicherheit und Absicherung, die hinter diesem Traum stehen. Doch diese Bedürfnisse wären nicht ausschließlich im alleinstehenden Einfamilienhaus umsetzbar, sondern können auch in alternativen Wohnmodellen bedient werden. Es sind andere Antworten vorstellbar und es gibt dafür viele praktische Beispiele. Doch im ländlichen Raum ist das Einfamilienhaus meist die einzige Antwort. Wenn sich das Angebot nur an den Träumen und nicht an den Herausforderungen orientiert, können auch keine alternativen Träume wachsen und so enden die individuellen Träume in einem kollektiven Alptraum.

Mit einem Einfamilienhaus im Eigentum „hat man es geschafft“! Doch was steckt hinter dieser Status-Anzeige?

Bedürfnis nach Sicherheit

Sicherheit, Verlässlichkeit und Geborgenheit sind zentrale Säulen des Einfamilienhauses. Die vollständige Autonomie des Individuums kann sich hier in absoluter Privatheit frei entfalten. Gleichzeitig verschanzen sich die Bewohner:innen – und ihre Häuser gleich mit – hinter meterhohen Thujen-Schutzwällen vor der Nachbarschaft. Die Sicherheit besteht in einem privaten, geschützten Bereich, in dem man selbst entscheiden darf, wer ihn betreten darf, wer ihn einsehen darf und auch was darauf passieren kann. Das ist auch eine Sicherheit vor gesellschaftlichen Problemen, die vor dem Gartenzaun warten müssen. Es ist die Sicherheit, hier seine wohlverdiente Ruhe zu haben.

Sicherheit, Verlässlichkeit und Geborgenheit sind zentrale Säulen des Einfamilienhauses. Die vollständige Autonomie des Individuums kann sich hier in absoluter Privatheit frei entfalten.

Daneben ist das Konzept des Einfamilienhauses eng mit der Sicherheit in der Zukunft verknüpft. In unserer Gesellschaft ist die private Absicherung eine wichtige Säule der Altersvorsorge, die in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestärkt wurde. Im Alter keine Miete mehr zahlen zu müssen und zukünftige Abhängigkeiten zu vermeiden: das ist ein leicht verständlicher, aber vor allem vielfach propagierter Ansatz. Daher ist es naheliegend, dass die größte Investition des Lebens häufig in einen exklusiven Besitz an Grund und Boden geht. Doch wie schon erwähnt fällt der Renteneintritt häufig mit den ersten größeren Sanierungsbedarfen der Gebäude zusammen. Diese Zusammenhänge machen das Versprechen finanzieller Sicherheit im Alter zu einem trügerischen.

Wo können wir ansetzen? Drei Handlungsebenen für mehr Kollaboration!

Ein derart großflächiges Problem, das so stark mit den individuellen Vorstellungen vom privaten Wohnen verknüpft ist, kann nicht mit der einen großen Maßnahme angepackt werden. Vielmehr eröffnet sich bei genauerer Betrachtung ein breites Handlungsspektrum für eine Transformation. Das Thema ist eine umfassende Gesellschaftsaufgabe, die nur über Ressorts, Branchen und Regionen hinweg angegangen werden kann. Es braucht viel Kommunikation, Kollaboration und Koordination! Man kann dabei drei Handlungsebenen herausarbeiten: staatliche Rahmensetzungen, regionale und quartiersmaßstäbliche Strategien und individuelle Angebote.

Es braucht großen politischen Willen

Da die Ausweisung von Bauland auf der kommunalen Ebene eng mit der Einnahme von Gewerbe- und Grundsteuer verknüpft ist, gibt es für die lokalen Entscheidungsgremien immer wieder Gründe im Sinne der Kassenlage zu entscheiden und neue Flächen umzuwidmen. Die Verantwortung für das Erreichen des gesetzten Ziels zur Begrenzung der Neuversiegelung auf deutschlandweit 30 Hektar, österreichweit 2,5 Hektar pro Tag kann daher nicht den Kommunen allein überantwortet werden. Diese Ziele erfordern klare überregionale Rahmensetzungen auf Staatsebene. Das dies nicht heißen muss, dass die Gemeinden fremdbestimmt werden und keine eigenen Handlungsspielräume mehr haben, zeigt das Modell des Flächenzertifikathandels. Hierbei wird die Gesamtmenge der versiegelbaren Fläche deutschlandweit auf 30 Hektar pro Tag festgesetzt, wobei jede Kommune Zertifikate entsprechend ihrer Einwohner:innenzahl erhält. Diese können für Bauprojekte im Ort eingesetzt oder anderen Kommunen angeboten werden. Kongruent zum CO2-Zertifikathandel erhalten Flächen somit einen Wert auf einem Markt. Dies fördert zudem den Austausch zwischen den Kommunen. Hierzu wurden in einem bundesweiten Planspiel des Bundesumweltamtes bereits wichtige Erkenntnisse gewonnen.

Auf jede Bürger:in in Deutschland kommen rund 490 Tonnen Baustoffe und die meisten sind in Wohngebäuden verbaut. Der gesamte Gebäudebestand ist ein riesiges Rohstofflager mit rund 15 Milliarden Tonnen Material und wir verbauen jährlich weiter 500 Millionen Tonnen Baustoffe. Es braucht ein radikales Umdenken: Wir müssen mehr Altes bewahren und mit Neuem kombinieren, um Ressourcen einzusparen. Dem einfachen Umbau mit geringen Mitteln steht jedoch oft die Baugesetzgebung im Weg, die im Grunde fordert, dass jedes Gebäude, das für eine Sanierung „angefasst“ wird, am Ende die Standards für Neubauten erfüllt. Es gibt bereits Bestrebungen, die auf eine Aufweichung der Anforderungen für den Bestand abzielen. So wird eine Umbauordnung als neue gesetzliche Grundlage gefordert, die das Bauen im Bestand fördert statt erschwert oder die Einführung einer Gebäudeklasse E für experimentelles Bauen abweichend von strengen DIN-Normen, die mehr auf Komfort als auf notwendige Mindestanforderungen abzielen. Doch diese Maßnahmen sind nur auf der großen politischen Ebene der Länder oder des Bundes möglich. Umso größer wäre das Signal an die Baubranche, dass die Bauwende politisch gewollt ist.

Einfahrt
© nonconform / Torsten Klafft

Solche Konzepte erfordern ein klares politisches Bekenntnis zur Umsetzung des 30-Hektar-Ziels und zur Stärkung des Gebäudebestandes. Dies hat zunächst nur indirekt mit der Problematik des Einfamilienhauses zu tun, setzt aber Anreize für eine nachhaltigere Nutzung von Bestandsflächen und -gebäuden. So liegt der Fokus automatisch auf der Innenentwicklung, also der Reduzierung der Bautätigkeit auf die bereits erschlossenen Siedlungsgebiete. Gesetzesgrundlagen, die beim Neubau stärker die gesellschaftlichen Kosten mit einpreisen und im Gegenzug eine Nach- und Umnutzung von Bestandsgebäuden erleichtern, sind bisher nur sehr zaghaft und kaum mit Sanktionsmechanismen belegt. Demgegenüber stehen immer noch neue Förderprogramme zur Eigentumsstärkung, ohne an Nachhaltigkeitskriterien gebunden zu sein.

Wir brauchen mehr Baukultur, Bürger:innenbeteiligung und Co-Kreation in der Zwischenstadt

Die Politik muss zudem darauf abzielen, dass Bestandsflächen integrierter gedacht werden. Durch die städtebauliche Funktionstrennung liegen viele Raumpotentiale, nicht nur in den Obergeschossen der Einfamilienhäuser, brach. Der Architekt Jörg Heiler sieht ein enormes Potential in der bestehenden Zwischenstadt, also dem Raum außerhalb der Dorfkerne und Innenstädte der weitgehend marktwirtschaftlichen Mechanismen überlassenen ist. Alles, was wir landläufig mit der Zersiedelung in Verbindung bringen, also die Orte der Industrie, der reinen Wohngebiete und der Gewerbestandorte für Discounter und Großhandel. In diesen Räumen leben weltweit 2 Milliarden Menschen – allein in Deutschland geht es um 600.000 Hektar. Heiler zufolge könnten viele Raumansprüche hier untergebracht werden, wenn klassische Paradigmen hinterfragt und Funktionen überlagert werden: „Ziel einer neuen – einer urbanen – Epoche muss deswegen sein, Getrenntes wieder zu durchmischen und vermeintlich nicht Zusammenpassendes zu verknüpfen.“, so Heiler. Die Bauwelt 2.2024 setzte bereits den Fokus auf Umbauprojekte in Gewerbegebieten. In unterschätzten großartigen Räumen entstanden durch Einbauten vielseitige Raumkonstellationen für Büros und Labore in unmittelbarer Nähe der Produktionsflächen. Die europaweite Recherche zeigt jedoch auch, wie rar diese Ansätze bisher sind und darunter sind keine Wohnprojekte vorgestellt worden.

Dafür muss die Zwischenstadt weiter in den Fokus der Stadtplanung rücken und zentrales Handlungsfeld der Baukulturförderung werden. Die Kommunen müssen ihre Aufgabe der Regulierung des Bauens ernster nehmen. Vieles von dem, was für ein gutes, durchmischtes Zusammenleben in einem Ort notwendig ist, kann in der Bauleitplanung verankert werden. Kommunen müssen vom Reagieren zum Agieren kommen, um die Zukunft mitzugestalten. So könnte die Teilbarkeit von Häusern in den Bebauungsplänen vorgeschrieben werden, was allerdings nur bei Neubaugebieten möglich wäre. Das bedeutet aber auch, dass die kommunalen Pläne und Vorgaben besser in die Bevölkerung kommuniziert werden müssen. Eine gute Diskurskultur, sprich eine wertschätzende Bürger:innenbeteiligung, ist ein zentraler Gelingensfaktor, der bei der Förderung der Baukultur immer mitgemeint sein muss. Wo Bürger:innen sich einbringen und mit ihren Vorstellungen und Wünschen co-kreativ mitwirken können, aber auch transparent über die Probleme der Siedlungsentwicklung auf der grünen Wiese informiert werden, werden auch die Gespräche über den Gartenzaun differenzierter.

Was eine umfassende Einbeziehung der Bürger:innen in den gesamten Planungsprozess für Potentiale freisetzen kann, zeigt das Projekt des Klosterangers im bayerischen Weyern. Da sich sowohl die Gemeinde als auch der Investor einig waren, dass ein frühzeitiger Dialog mit den Bürger:innen wichtig ist, konnten mutige Entscheidungen ohne großes Risiko getroffen werden. So wurden in einer kleinen ländlichen Gemeinde 70 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern errichtet, die zu einem Großteil an Anwohner:innen verkauft wurden, die mit ihrem Umzug ihre Einfamilienhäuser für eine Nachnutzung freimachten. Die Nachfrage überstieg schnell die Kapazitäten des Projektes und durch eine große Sorgfalt bei der Außenraumgestaltung ist hier ein vorbildhaftes offenes Wohnquartier durch die Mitwirkung der Bürger:innen entstanden. In Burgrieden in Baden-Württemberg ist mit dem „Allengerechten Wohnen“ ein Projekt entstanden, an dem man ebenfalls sehen konnte, wie sich die Nachfrage an barrierefreiem Wohnraum vor Ort entwickelt. Zunächst stand das ganze Vorhaben auf der Kippe, da die Wohnungen nicht genügend Interessent:innen fanden. Doch die Treiber:innen des Projektes blieben hartnäckig und mit Fertigstellung war die Nachfrage weit über das gerade erst geschaffene Angebot hinausgewachsen. Es gilt also hier mit attraktiven Angeboten den Markt zu verändern, statt sich vom Status-Quo den Mut nehmen zu lassen!

Es braucht mehr Kommunikation auf der individuellen Ebene

Das Einfamilienhaus ist das Ergebnis einer Bedürfnisbefriedigung, die ohne Aushandlungsprozesse auskommt. Die Grenzen des eigenen Einflussbereiches sind klar umrissen und die Zuständigkeiten sind vermeintlich definiert. Doch spätestens die populären Sendungen zu Nachbarschaftsstreitigkeiten in den 1990er Jahren machten deutlich, wie trügerisch diese Erwartungen sein können. Wohnen ist immer ein Miteinander, wo Erwartungen aufeinandertreffen und ggf. Lösungen ausgehandelt werden müssen. Doch die Vermeidung von nachbarschaftlicher Nähe wird immer problematischer, wenn der Wohnraum nicht mehr passt, doch die gefühlte Abhängigkeit vom privaten Schutzraum so groß ist, dass eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus wie ein Schreckensszenario erscheint. Doch letztlich ist es die Isolation des Einfamilienhauses, die zur Einsamkeitsfalle wird, wenn nicht rechtzeitig Alternativen gefunden werden.

Daniel Fuhrhop, Autor des Bestsellers „Verbietet das Bauen“, formuliert in seiner gerade erscheinenden Dissertation die Formel UUU&VW zur Aktivierung des unsichtbaren Leerstands in genutzten Wohneinheiten. Dreimal U bedeutet zum Einen Untermiete bzw. das Homesharing, wo vorwiegend junge Menschen mit älteren zusammenziehen und sich gegenseitig unterstützen. Alternativ wäre der Umzug in kleinere Wohnungen und damit einhergehend die Übergabe des größeren Hauses an Menschen, die den Platz dringender benötigen. Oder der Umbau, um das Haus mit mehreren Parteien nebeneinander aber mit getrennten Zugängen bewohnen zu können. Dies könnte Fuhrhop zufolge mit einer sozialen und gemeinnützigen Wohnraumvermittlung organisiert werden. Die durch Vermietung eingenommenen Gelder finanzieren dieses System aus Beratung, Vermittlung und Verwaltung, sodass sich ein sich selbst tragender Markt etablieren kann. Für einzelne Eigentümer:innen können Risiken minimiert und Ängste genommen werden, in dem z.B. Mieteinnahmen garantiert werden. In Belgien und Großbritannien funktionieren solch kostendeckende Verwaltungs- und Beratungsstruktur bereits gut. Dazu braucht es laut Fuhrhop schließlich noch mehr Projekte für gemeinschaftliches Wohnen, bei denen z.B. Esszimmer und Küche geteilt werden.

Einfahrt
© nonconform / Torsten Klafft

Ein Beispiel für dieses Ausziehen und Umsiedeln ist das Projekt Bremer Punkt. Dort wurde in einem Quartier ein sogenanntes Auszugshaus errichtet, wo Umzugswillige einziehen konnten, ohne die gewohnte Umgebung verlassen zu müssen. Sie bleiben in der Nachbarschaft und ihre alten Wohnungen können nachgenutzt werden. Diese Strategie fördert ein Umdenken in der Gesellschaft: Ich kann mein Haus loslassen, wenn ich es nicht mehr selbst bewirtschaften kann kann aber weiterhin in der Nähe der langjährig aufgebauten Beziehungen leben. Das SauRiassl-Syndikat aus Altötting zeigt, welche neuen Wohnformen und Nachbarschaften auch auf dem Land entstehen können, wenn von vornherein die Aushandlung im Zentrum des gemeinsamen Zusammenlebens steht. Dabei liegt es nicht an der Gebäudetypologie, denn hier werden sowohl große Gebäudekomplexe mit mehreren Wohneinheiten als auch ehemalige Einfamilienhäuser erhalten, geteilt und ganz nebenbei dauerhaft der Spekulation mit Wohnraum entzogen. Doch ebenso unpopulär wie der Auszug aus dem eigenen Haus ist der Einzug in ein bestehendes Einfamilienhaus für junge Familien. Im ostwestfälischen Hiddenhausen wurde mit „Jung kauft alt“ ein Programm ins Leben gerufen, dass mit Beratung und gezielter Förderung bei der Entscheidung hilft.

All diesen Ansätzen ist gemein, dass sie mehr gezielte und individuelle Beratung erfordern. Es braucht Unterstützung bei den einzelnen Schritten, um vermeintliche Hürden überwinden zu können. Fuhrhop beklagt, dass Wohnraumberatung zu oft als Aufgabe der Sozialarbeit betrachtet wird, obwohl viele Betroffene eine qualifizierte Beratung auch bezahlen würden. Hier müssen Immobilienfachkräfte und soziale Träger kooperieren, um die Nachfrage und das Angebot zusammenzubringen. Dabei ist der Maßstab keinesfalls darauf angelegt, dass alle älteren Single-Haushalte zum Auszug bewegt werden müssen. Das Ziel muss es sein, dass zunächst die Interessierten erreicht werden, die offen für neue Wohnformen sind, jedoch aufgrund des fehlenden Angebots im alten Haus verbleiben. Die Beispiele in Weyern und Burgrieden zeigen, dass diese Gruppe bereits groß genug ist, um die Nachfrage nach Bauland zu befriedigen und so neue Baulandausweisungen zu verhindern. Etablieren sich solche Wohnformen, wird es auch für die Zweifelnden immer selbstverständlicher über ihre Wohnsituation nachzudenken. Sollen Menschen tatsächlich überzeugt werden, ihren zu groß gewordenen Wohnraum zu verlassen und in passendere Räume zu ziehen, müssen sie durch gute Argumente und attraktive Alternativen überzeugt werden.

Fazit

Das Einfamilienhaus ist als Wohnform fest verankert in unserer Gesellschaft. Es steht im Zentrum vieler Biografien und stellt in unzähligen Familien den alljährlichen Treffpunkt zu Weihnachten dar. Es ist das Sinnbild für ein gelungenes Leben und Wohnen in Wohlstand und Sicherheit. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist diese Wohnform jedoch hochproblematisch. Das gilt sowohl für die ökologischen Kosten der Versiegelung, den Materialverbrauch und den Energiebedarf als auch für die ökonomische Nachhaltigkeit. Oft wird die größte Investition des Lebens beim Eintritt ins wohlverdiente Rentenalter zur Kostenfalle. Nicht zuletzt muss auch die sozialen Folgen kritisch betrachtet werden, denn vielerorts hat sich das Einfamilienhaus als einzige Wohnform auf dem Wohnungsmarkt durchgesetzt, sodass diverse Bevölkerungsgruppen kein passendes Angebot für ihre Bedürfnisse finden.

Es geht nicht darum, das Wohnen im Einfamilienhaus in Frage zu stellen, zu verteufeln oder zu verhindern.

Es geht nicht darum, das Wohnen im Einfamilienhaus in Frage zu stellen, zu verteufeln oder zu verhindern. Es ist aus dem Verständnis von Wohnen und Leben in Deutschland, Österreich und darüber hinaus schlicht nicht mehr wegzudenken. Es geht darum, den unermüdlichen Hunger nach neuen Häusern entgegenzuwirken und die bestehenden und untergenutzten Einfamilienhäuser in einen Transformationsprozess zu bringen. Dieses riesige Raumpotential im Bestand ist für die Wohnungsfrage zu wichtig, als dass man es ignorieren könnte. Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass es Handlungsbedarf auf allen Ebenen gibt. Ebenso gibt es aber an all diesen Stellschrauben auch Ideen, Vorbilder und Lernprozesse, die es gilt weiterzuentwickeln. Es sollte klargeworden sein, dass keine Einzelleistungen dieser Aufgabe gewachsen sind, sondern es viel mehr Kommunikation, Kooperation und Kollaborationen braucht, um gemeinsam die ersten Schritte voranzugehen.  

Wenn es uns gelingt, den unsichtbaren Leerstand in halbleeren Einfamilienhäusern wieder zu nutzen, wäre dies nicht nur für den vorherrschenden Wohnungsdruck und somit in der Wohnungsfrage ein Durchbruch, sondern es würde Menschen auch näher zusammenbringen, Gemeinschaft fördern und die Lebensqualität erhöhen.

Was können wir tun

Sechs Thesen,

wie es gelingen kann, im Kontext der Einfamilienhausentwicklung den Umbau im Bestand vor den Neubau zu stellen und dadurch den Traum vom Einfamilienhaus in eine nachhaltige Wohnraumstrategie zu integrieren:

1. Wir müssen Strukturen für Umbauberatung aufbauen!

Ein Bestandsgebäude ist eine Herausforderung, die Unterstützung bei vielen Schritten erfordert, die vielfach größer wirken als sie tatsächlich sind. Es bedarf einer Bewusstseinsbildung und einer Beratung, die die Vorteile eines bestehenden (Einfamilien-) Hauses sichtbar und das Risiko überschaubar macht. Dabei ist es nötig mit den Bauwilligen in einen anerkennenden, aber kritischen Dialog über ihre Bedürfnisse im Zusammenhang mit den Herausforderungen des ökologischen Orts-, Siedlungs- und Stadtumbaus zu treten.

2. Umziehen ist das Neue Bauen!

Der Traum vom Einfamilienhaus ist auch der Traum vom Wohnen im perfekten Maßanzug. Ein altes Einfamilienhaus verstellt da schon zu Beginn der Planungen viele Möglichkeiten. Dabei ist auch der Neubau mit großen Kompromissen bezüglich des Bauplatzes, der Anbindung oder des sozialen Netzwerkes verbunden, die erst später deutlich werden. Häufig sind es aber nur kleine Hürden oder Zweifel, die ein Bestandsgebäude gegen den Neubauplatz ausscheiden lassen. Oft fällt die Entscheidung zugunsten der vermeintlich sauberen Neubaulösung ohne geerbte Probleme wegen Unwissenheit oder fehlendem Fachwissen.

3. Wir müssen den Bestand nutzen!

Das Vorhandene ist das neue Potenzial! Wenn wir den Bestand als Arbeitsgrundlage akzeptieren, können sich darin ebenso viele Träume entfalten wie im Neubau. Umbauen statt neu bauen ist nicht nur günstiger und schneller zu realisieren, sondern ist vor allem im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch das Gebot der Zeit. Durch das stete Weiter-, Um- und Nachnutzen des Bestandes werden zudem auch aus Siedlungen, die einstmals in kurzer Zeit und monoton entstanden sind, bunte und durchmischte Quartiere.

4. Wir müssen attraktive Alternativen schaffen!

Das Wohnen im eigenen Haus mit Garten hat seine größte Attraktivität für Familienhaushalte, die einen großen Raumbedarf haben. Die Eigentumsform, oft in Verbindung mit der Altersvorsorge, macht es organisatorisch und emotional schwierig, nach dem Auszug der Kinder in eine angemessenere Wohnung umzuziehen. Das liegt nicht zuletzt auch am fehlenden Angebot an schönem und barrierefreiem Wohnraum mit Gartenzugang im gleichen Ort. Wir müssen attraktive Wohnangebote für all diejenigen schaffen, die gar kein Einfamilienhaus brauchen.

5. Es gibt genug Einfamilienhäuser!

Wenn nahezu die gesamte Bevölkerung im derzeitigen Bestand an Einfamilienhäusern unterkommen könnte, so bedeutet dies auch, dass wir keine zusätzlichen Einfamilienhäuser mehr brauchen, um den Bedarf an ihnen zu befriedigen. Es muss gelingen, die Nachfrage mit dem derzeitigen Bestand an Einfamilienhäusern zu decken. Wir brauchen keine neuen Einfamilienhäuser mehr!

6. Es braucht kein neues Bauland für Einfamilienhäuser!

Viele Kommunen, die Bauland ausweisen oder unter Druck stehen, dies zu tun, haben stagnierende Bevölkerungszahlen. Neues Bauland auszuweisen, ohne vorher versucht zu haben, die Ausnutzung im Bestand zu erhöhen, führt unweigerlich zu einer Potenzierung des Problems und mehr ungenutztem Wohnraum in der Zukunft. Das Ziel der Transformation des Wohnungsmarktes im ländlichen Raum muss ein kompletter Verzicht auf neue Baulandausweisung für Einfamilienhäuser im ländlichen Raum sein.

Torsten Klafft hat Architektur und Soziologie studiert, ist Projektleiter bei nonconform und lehrt an der Leibniz Universität in Hannover. Roland Gruber hat Architektur und Kulturmanagement studiert, ist Gründer und Partner von nonconform und lehrt an der Fachhochschule Kärnten. nonconform ist ein deutsch-österreichisches Architekturbüro mit dem Schwerpunkt partizipative Zukunftsraumentwicklung. Beide sind die Kuratoren der Leerstandskonferenzen, einem regelmässigen Diskursformat von nonconform, wo alle Fragen rund um Leerstand bearbeitet werden.

Die 8. Leerstandskonferenz fand im Herbst 2022 im bayrischen Kolbermoor statt und wurde vom Wirtschaftsforum Mangfalltal-Inntal gemeinsam mit den LEADER Regionen Rosenheim und Miesbacher Land veranstaltet.

Quellen

Titelbild

Torsten Klafft